Bei einer ‚Wanderung auf den Moselhöhen sah ich einige wilde Weinstöcke mit großen Blättern, die mit rankenartigen Ausläufern die Büsche und Bäume jenseits des Weinbergs überwuchert hatten, aber kaum Trauben trugen, dagegen waren auf der anderen Seite der Straße die Weinstöcke in Reih und Glied geschnitten und gesäubert und mit vielen Reben behangen. Ich musste an das Wort aus dem Johannes-Evangelium denken: Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Winzer. Jeden Rebzweig an mir, der keine Frucht trägt, den nimmt er weg, und jeden der Frucht trägt, reinigt er, damit er noch mehr Frucht trage (Joh 15,1-2)). Es macht Mühe, an jedem Weinstock die Triebe zu beschneiden und unnütze Zweige zu entfernen. Es tut weh, wenn Triebe beschnitten und unnütze Zweige entfernt werden, aber nur so können Trauben reifen, aus denen köstlicher Wein wird. Ein Bild für unser Leben?
Ich musste an eine Patientin in mittlerem Lebensalter denken, die in der Rückschau auf ihr bisheriges Leben meint, sie sei immer nur Nebenwege gegangen. Jedes Mal, wenn sie ein Ziel ins Auge genommen hatte, sei sie vom Hauptweg abgekommen, wie ein Kind, das beim Sonntagsspaziergang mit den Eltern mal einem Schmetterling nachläuft, mal eine Blume in einer Wiese pflückt. Vielleicht ist es das Problem der 1968er Generation gewesen, dass sie nicht erkannt hat, dass der Weinberg des Lebens nur dann Früchte hervorbringt, wenn man Entscheidungen nicht nur aus dem Bauch heraus trifft.
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