DIE HOFFNUNG ENTTÄUSCHT NICHT

Geschrieben am 01.01.2025
von Joachim Heisel


Der heilige Paulus ist sehr realistisch. Er weiß, dass das Leben aus Freud und Leid besteht, dass die Liebe auf die Probe gestellt wird, wenn die Schwierigkeiten zunehmen, und dass die Hoffnung angesichts des Leidens zu zerbrechen scheint. Dennoch schreibt er: „Wir rühmen uns ebenso der Bedrängnisse; denn wir wissen: Bedrängnis bewirkt Geduld, Geduld aber Bewährung, Bewährung Hoffnung“ (Röm 5,3–4). Für den Apostel sind Bedrängnis und Leid die typischen Bedingungen für diejenigen, die das Evangelium in einem Klima des Unverständnisses und der Verfolgung verkünden (vgl. 2 Kor 6,3–10). Aber in solchen Situationen erblickt man durch die Dunkelheit hindurch ein Licht. Man entdeckt, wie die Verkündigung von der Kraft getragen wird, die aus dem Kreuz und der Auferstehung Christi strömt. Und dies führt zur Entwicklung einer Tugend, die eng mit der Hoffnung verbunden ist:
der Geduld.

Wir haben uns mittlerweile daran gewöhnt, alles sofort zu wollen, in einer Welt, in der die Eile eine Konstante geworden ist. Man hat keine Zeit mehr, sich zu treffen, und selbst in den Familien wird es oft schwierig, zusammenzukommen und in Ruhe miteinander zu reden. Die Geduld ist durch die Eile vertrieben worden und das fügt den Menschen großen Schaden zu. In der Folge haben Ungeduld, Nervosität und manchmal auch grundlose Gewalt Einzug gehalten, die zu Unzufriedenheit und Verschlossenheit führen. Außerdem ist die Geduld im Zeitalter des Internets, in dem Raum und Zeit vom „Hier und Jetzt“ verdrängt werden, nicht wirklich heimisch. Wenn wir noch in der Lage wären, die Schöpfung zu bestaunen, könnten wir verstehen, wie entscheidend die Geduld ist. Den Wechsel der Jahreszeiten mit ihren jeweiligen Früchten abwarten; das Leben der Tiere und ihre Entwicklungszyklen beobachten; den schlichten Blick des heiligen Franziskus besitzen, der in seinem vor genau 800 Jahren verfassten Sonnengesang die Schöpfung als eine große Familie wahrnahm und Sonne und Mond „Bruder“ und „Schwester“  nannte. Die Geduld wiederzuentdecken ist gut für uns selbst und für die anderen.

Der heilige Paulus spricht oft von der Geduld, um die Bedeutung der Ausdauer und des Vertrauens auf Gottes Verheißung hervorzuheben, aber vor allem bezeugt er, dass Gott mit uns geduldig ist, er, „der Gott der Geduld und des Trostes“ (Röm 15,5). Die Geduld, ebenfalls eine Frucht des Heiligen Geistes,
erhält die Hoffnung am Leben und konsolidiert sie als Tugend und Lebensweise. Lernen wir also, oft um die Gnade der Geduld zu bitten, die eine Tochter der Hoffnung ist und sie zugleich nährt. 

Aus dem Schreiben von Papst Franziskus anlässlich des Heiligrn Jahres 2025 "Spes non confundit" ( Die Hoffnung enttäuscht nicht)

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