ST. GEORG

Geschrieben am 27.12.2024
von Joachim Heisel


Am Nachmittag des Heiligen Abends gehe ich an der Isar entlang, bei grauem Himmel und  mit kaum Leuten auf der Straße zu unserer Kirche Sankt Georg in Bogenhausen. Sie liegt oberhalb der Isar und war über Jahrhunderte die einzige Kirche weit und breit bis ins 20. Jahrhundert hinein. Ihre Grundmauern und der Turm gehen bis ins 8. Jahrhundert zurück. Über den Friedhof mit den vielen Gräbern bekannter Leute wie Erich Kästner, Oskar Maria Graf, Tankred Dorst und Liesl Karlstadt gehen ganze Familien  zu den Gräbern ihrer Verstorbenen und schmücken sie mit Christbaumkugeln, Lichtern und Tannenzweigen.

Ich setze mich in der Kirche in eine  hintere Bank und stelle mir vor, wieviele Menschen all die Jahrhunderte hier gebetet haben. Die Kirche wurde im 18. Jahrhundert im Rokokostil umgewandelt. Bekannte Künstler  wie Ignaz Günther und Johann Baptist Straub haben hier gewirkt und ihrem Glauben künstlerischen Ausdruck verliehen. Der formvollendete Engel an der Kanzel ist ein Spätwerk von Ignaz Günther und allein schon wegen ihm lohnt sich ein Besuch in der Kirche.

Ich denke, all diese Menschen die in den Jahrhunderten hier gewirkt und gebetet haben, können sich nicht geirrt haben. Sie wussten zwar nicht, wie man zum Mond fliegen, und auch nicht, wie man eine Atombombe bauen kann, womit man die Hälfte der Menschheit vernichten könnte. Aber sie hatten Erkenntnisse des Herzens, die wir nicht mehr haben, und die in dieser Kirche ihren Ausdruck finden und die sie dazu gebracht haben, hier zu beten.

Antoine de St.Exupéry sagt in seinem kleinen Buch "Der kleine Prinz," das millionenfach gedruckt wurde: Man erkennt nur mit dem Herzen gut.

Es tut gut, sich an diesem Heiligabend mit all diesen Menschen zu vereinen.Sollten Sie sich alle geirrt haben und nur wir Recht haben, die wir nicht mehr glauben können, dass es einen Gott und einen Schöpfer gibt und dass wir nach unserem Tod diesem Gott begegnen werden, um für immer bei ihm zu sein.

Theodor Adorno und Max Horkheiimer, die Philosophen der sogenannten Frankfurter Schule schrieben in ihrer "Dialektik der Aufklärung": Seit je hat Aufklärung im umfassendsten Sinn fortschreitenden Denkens das Ziel verfolgt, von den Menschen die Furcht zu nehmen und sie als Herren einzusetzen. Aber die vollends aufgeklärte Erde strahlt im Zeichen triumphalen Unheils.

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