TROST DER NATUR

Geschrieben am 29.06.2024
von Joachim Heisel


„Die Ros ist ohn warum; sie blühet weil sie blühet, sie acht nicht ihrer selbst, fragt nicht, ob man sie siehet.“ (Angelus Silisius ) 
Zunächst will uns der große mystische Dichter Angelus Silesius sachte darauf hinweisen, dass wir uns nicht so wichtig nehmen sollen. Es genügt, dass wir in einem erfüllten „Augen-Blick“ der blühenden Rose begegnen, ohne immer gleich nach ihrem Sinn und Zweck zu fragen. Die Rose blüht und fragt nicht nach dem „Was und Wie“ mit einer „Selbst-Verständlichkeit“ die dem Menschen nicht gegeben ist.

Ein Teil des Trostes, den wir in der Natur finden, ist, dass sie unabhängig von unserer Befindlichkeit existiert, wächst und gedeiht. Wir können uns der Natur hinhalten, ohne dass sie uns  Fragen stellt. Sie  lässt das, was uns widerfährt, stehen wie es ist.  Wir können uns als Teil der Natur empfinden und erfahren, dass unser Dasein eingebettet ist in ihren Ablauf.

Es bleibt aber diese Sehnsucht des Menschen, dass Sein und Sinn eins wären. Solange er lebt, wird er nach seinem  Woher und Wohin und auch dem Wozu seiner Existenz fragen. Er möchte erkennen wie Dr. Faustus in Goethes Drama Faust „was die Welt im Innersten zusammenhält“, eine Hoffnung, die sich nie ganz erfüllen wird.

Die alten Philosophen hielten das Staunen für den Anfang der Weisheit und der Philosophie. Indem nun der Mensch das Schöne in der Natur  staunend betrachtet, rührt er zugleich an den Ur-Grund von Welt und Mensch in Gott, in dem Sinn und  Sein eins sind. Das erfüllt ihn mit einer Ahnung, die weit über seinen Verstand hinaus reicht, dass alles Sein auch Sinn hat und nicht dem bloßen Zufall unterworfen ist.

Angelus Silesius (1624-1677) hiess eigentlich Johannes Scheffler; sein Dichtername lautete „Angelus Silesius“ (Schlesischer Engel). Sein Vater war ein polnischer Adeliger. Er war Arzt, Theologe und Dichter. Er hinterliess zahlreiche Gedichte und Kirchenlieder. Dabei liess er sich von den deutschen Mystikern wie Meister Eckhart, Johannes Tauler und Mechthild von Magdeburg sowie Augustinus inspirieren. 


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