Barmherzigkeit ist eine Eigenschaft, die uns Gott ähnlich macht, denn Christus sagt: Seid barmherzig, wie Euer Vater im Himmel barmherzig ist (Lk 6,36) . Barmherzig sein heißt, sein Herz zu öffnen und die Not anderer Menschen wahrzunehmen und entsprechend zu handeln. Barmherzigkeit bedeutet, ich bin innerlich betroffen von dem, was mir begegnet und ich überlege mir, was für ein Handeln dadurch von mir gefordert wird. Das Spannende ist nun, dass Gott selbst sich als ein barmherziger Gott vorstellt.
Das Wort barmherzig kommt von arm und heisst: Ein Herz für die Armen haben. Heute sagt man eher: mitfühlend, solidarisch sein. Barmherzigsein baut ein Gefälle auf. Da ist jemand, der sich zu mir herabbeugt, jemand, der gewissermaßen mir helfen kann, aber auch jemand, der seine Position der Überlegenheit nicht ausnützt, sondern sie benützt, um mir zu helfen. Damit eine Gesellschaft menschlich bleibt, muss es Menschen geben, die barmherzig sein können. Die Gerechtigkeit ohne die Möglichkeit einer jenseitigen Barmherzigkeit wird inhuman.
Das kann auch der Grund sein, warum in Gerichtssälen Kreuze angebracht werden. Sie sollen andeuten: Wir müssen hier nach irdischer Gerechtigkeit richten, aber es gibt eine Gerechtigkeit über uns, die nicht von dieser Welt ist.
Im Deckengemälde der als Meisterwerk des Rokoko weltberühmten Wieskirche bei Steingaden in Oberbayern hat Johann Baptist Zimmermann (1680-1758) bei der Darstellung des Jüngsten Gerichts hinter dem Thron des Weltenrichters als Emblem ein Schwert und einen Palmzweig dargestellt als Zeichen dafür, dass dieses Gericht in Christus einen Richter findet, der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit in Einklang bringt.
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